FEM

Die Finite-Elemente-Methode (FEM) wurde ursprünglich für Probleme der Strukturmechanik entwickelt und in den 1970er Jahren von der Mathematik als weitreichend einsetzbares Werkzeug zum Lösen partieller Differentialgleichungen entdeckt.

Die Berechnung physikalischer Probleme mit komplizierten Geometrien erfordert, die zugrundeliegenden Gesetze lokal (oder mikroskopisch) zu formulieren, d.h. so, dass das Geschehen an einem Ort nur von dessen unmittelbarer Nachbarschaft abhängt. Das führt fast unvermeidlich auf partielle Differentialgleichungen. Die Bedeutung eines universellen Werkzeugs zu deren Lösung lässt sich daher kaum unterschätzen. Da mittlerweile die Rechenleistung selbst von Laptops ausreicht, um ingenieurtechnische Alltagsprobleme (z.B. Temperaturverteilung eines Bauteils, elektrisches Feld einiger Elektroden, akustische oder optische Moden, ...) auszurechnen, wäre es eigentlich Stand der Technik, dazu "einmal eben schnell" ein FEM-Programm anzuwerfen. Dass dies nicht geschieht, hängt meiner Ansicht nach an zwei Punkten:

  1. Literatur
    Es gibt fast keine Literatur, die die FEM so einfach erklärt, wie sie eigentlich ist (1½ Seiten). Die Mehrheit der Bücher vollzieht entweder die historische Entwicklung nach und erklärt die FEM (mühsam) über die Strukturmechanik, oder beweist mit schwerem mathematischem Geschütz Existenz und Eindeutigkeit der Lösung.
    Empfehlenswerte Ausnahmen:
  2. Software-Benutzeroberfläche
    Die bei der FEM auftretenden Gleichungssysteme lassen sich mit Standardbibliotheken der linearen Algebra lösen. Der verbleibende Code für das Aufstellen der Gleichungen und Aufruf der Bibliotheksfunktionen ist nicht allzu kompliziert, siehe z.B. 50 lines of MATLAB, dito. Viele Mathematikinstitute haben ihre eigenen Implementierungen. Nun ist es eine der Stärken der FEM, dass die Komplexität der Geometrie für die Rechnung keine Rolle spielt. Eine komplizierte Geometrie und die zugehörigen Randbedingungen komfortabel eingeben und editieren zu können ist die eigentliche Herausforderung an die Software. Gäbe es eine freie Software, die das leistete, wäre sie sicher als "FEM-Taschenrechner" ab dem zweiten Semester im Einsatz.
Software:
Eine gute, jedoch für den allgemeinen Einsatz im Unterricht zu teure Lösung bietet das kommerzielle Produkt COMSOL. Es handelt sich um einen universellen Gleichungslöser mit kombiniertem CAD-Editor. Gegen Aufpreis gibt es Eingabemasken zu verschiedenen Gebieten der Physik und Ingenieurswissenschaften, die dem Benutzer auch das Aufstellen der physikalischen Gleichungen abnehmen.
Freie FEM-Programme mit graphischer Eingabe: Calculix - Quickfield (student edition) - www.femm.info
Für einfache Geometrien (Vorlesungsbeispiele und Übungsaufgaben in den unteren Semestern) gibt es ein sehr einfach zu handhabendes Programm mit textbasierter Eingabe (kostenlose Studentenversion): FlexPDE.
Weitere freie FEM-Programme (mit textbasierter Eingabe): FEniCS - FreeFem - Elmer - Code Aster

Bücher zur FEM für Mathematiker:
S. Brenner, R. Scott: The Mathematical Theory of Finite Element Methods (2008)
Das modernste und am leichtesten lesbare der Mathematikbücher. Für die Zielgruppe "mathematics graduate students and mathematically sophisticated engineers and scientists" gut passend.
Gilbert Strang, George J. Fix: An Analysis of the Finite Element Method (1988) und Ph.G. Ciarlet: The Finite Element Method for Elliptic Problems (1978) Online, frei im FH-Netz oder über VPN
Beides für Mathematiker. Wer vor der Lektüre nicht weiß, was ein Sobolev-Raum ist, sollte besser zum Buch von Brenner greifen.
FEM für Nichtmathematiker:
Johnson: Numerical Solution of Partial Differential Equations by the Finite Element Method und H. Goering, H.-G. Roos, L. Tobiska: Die Finite-Elemente-Methode für Anfänger siehe oben.
K. Eriksson, D. Estep, P. Hansbo, C. Johnson: Computational Differential Equations
Eine erweiterte (und neu gesetzte) Version des Buches von Johnson mit einem ausführlichen Teil zu Analysis und Linearer Algebra.
M. Gockenbach: Understanding and Implementing the Finite Element Method
Das Buch leistet, was der Titel sagt: die erste Hälfte bringt saubere mathematische Theorie , die zweite Hälfte die Umsetzung in Computercode (hauptsächlich MATLAB). Masterniveau. Meiner Ansicht nach das Buch für den Anwender eines FEM-Programms, der dessen Wirkungsweise verstehen möchte. Leseprobe
Lennart Edsberg: Introduction to Computation and Modeling for Differential Equations
Gut lesbar. Themen sind gewöhnliche und paritelle Differentialgleichungen und verschiedene Lösungsmethoden (u.a. FEM).
Sonstige Bücher:
N. Ottosen, H. Petersson: Introduction to the finite element method
J.N. Reddy: An Introduction to the Finite Element Method (gebunden), (Paperback),
J.N. Reddy: An Introduction to Nonlinear Finite Element Analysis
J.T. Oden, J.N. Reddy: An Introduction to the Mathematical Theory of Finite Elements
Online-Material zur FEM: NIST, FH Bern
Spezielle Themen:
João P.A. Bastos, Electromagnetic modeling by finite element methods
Begutachtete, aber als wenig hilfreif empfundene Bücher:
O.C. Zienkiewicz, R.L. Taylor, J.Z. Zhu: Finite Element Method: Its Basis And Fundamentals
D.S. Burnett: Finite Element Analysis
nicht mehr im Buchhandel, sehr weitschweifig und dadurch unübersichtlich
Nachfolgende Bücher basieren auf Strukturmechanik und sind für Physiker schlecht lesbar:
R.D. Cook, D.S. Malkus: Concepts and Applications of Finite Element Analysis
Günther Müller, Clemens Groth: FEM für Praktiker
Mayr, Thalhofer: Numerische Lösungsverfahren in der Praxis
K. Knothe, H. Wessels: Finite Elemente

MATLAB

Bücher zu MATLAB:
Wolf Dieter Pietruszka: MATLAB und Simulink in der Ingenieurpraxis Online, frei im FH-Netz oder über VPN
Sehr gute Einführung

Stand vom 01.10.2013 . © Prof. Dr. Ch. Gerz